Die Autos auf den internationalen Straßen werden nicht nur immer größer, sondern insbesondere deutlich schwerer. Das liegt nicht nur an neuen Komfortwünsche und Sicherheitserfordernissen, sondern speziell an den Elektroantrieben, die bisweilen mehrere hundert Kilo Zusatzgewicht in die Modelle bringen.
Die Zeiten, in denen ein ausgewachsenes Pkw kaum mehr als eine Tonne auf die Waage brachte, sind lange vorbei. Mittlerweile liegen selbst Fahrzeuge der Kompakt- oder Mittelklasse um die 1,5 Tonnen – vorausgesetzt, sie haben keinen Plug-in-Hybrid- oder Elektroantrieb, denn dann geht es aufwärts Richtung Zwei-Tonnen-Marke. So sehr es bei den elektrifizierten Autos vom Tesla Model 3 über einen BMW iX bis zu Hyundai Ioniq 5 oder Mercedes EQS an sich um Nachhaltigkeit geht, beim Thema Elektroantrieb scheint das Mehrgewicht keine nennenswerte Bedeutung zu haben. Selbst die sportliche Oberklasselimousine des BMW M5 wurde in der aktuellen Generation um rund ein Viertel schwerer. Statt ehemals alles andere als leichter 2.000 Kilogramm Leergewicht, bringt der Nachfolger 2,5 Tonnen auf die Waage – als Plug-in-Hybride.
Beim Thema Elektroauto gibt es eine beherrschende Messgröße: die Reichweite. Und auch wenn sich bei der Batterietechnik und der Aerodynamik einiges getan hat – je größer und schwerer die Batterie, umso üppiger und letztlich entspannter für den Kunden ist die Reichweite, ehe es wieder an die Ladesäule geht. Dabei treten zwei einst zentrale Messgrößen in den Hintergrund: die Motorleistung und der Verbrauch. Während die Motorleistung durch die Elektroantriebe klassenübergreifend deutlich steigt, spielt der Verbrauch zumeist nur noch eine untergeordnete Rolle für den Kunden. Zwar beeinflusst dieser direkt die Reichweite, doch die reine Kilometerangabe, wie weit man mit dem VW ID3 oder einem Opel Corsa Electric fahren kann, ist den meisten Kunden weit wichtiger als Norm- oder Realverbrauch. Zudem haben Elektrofahrzeuge, allen voran die batterieelektrischen, meist wesentlich mehr Leistung als vergleichbare Verbrenner. Im Durchschnitt sind es nach Angaben der Analysten von Jato rund 40 Prozent. Zum einen sind die Fahrzeuge deutlich schwerer und somit braucht es mehr Leistung, um für entsprechende Fahrleistungen zu sorgen. Doch der Hauptgrund ist ein anderer, denn ein großer und stärkerer Elektromotor kostet nicht viel mehr als ein kleiner und so lässt sich die Leistung leicht mit einem stärkeren Motor, der kaum mehr Bauraum benötigt, steigern.
Ein Fahrzeug aus dem A-Segment, also Kleinstwagen mit Verbrennungsmotor, wiegt heute durchschnittlich etwas mehr als eine Tonne. Auch die SUVs sind nur unwesentlich schwerer. Ein Kleinstwagen mit Batterieantrieb wiegt dagegen im Schnitt 1.130 Kilogramm. Im B-Segment der Kleinwagen sind die Unterschiede schon deutlicher: Hier kommt ein Verbrenner-Kleinwagen nach Angaben der Jato-Analysten auf knapp 1.200 Kilogramm, das Durchschnittsmodell mit Mildhybrid-Antrieb sogar nur auf 1.157 Kilogramm. Dagegen bringt ein BEV schon fast 1,5 Tonnen auf die Waage. Ein Kleinwagen-SUV mit Verbrennungsmotor liegt im Mittel bei 1.325 Kilogramm, das vollelektrische Pendant kommt auf fast 1.680 Kilogramm. Ein Plus von jeweils mehr als 26 Prozent für die Elektriker.
So setzt sich der Trend auch durch weitere Segmente – von den Kompakten über die Mittelklasse bis zur Luxusliga – fort. Immer sind die SUVs schwerer als die Limousinen. Aber vor allem sind die BEV-Modelle immer deutlich schwerer als die Verbrenner. Die elektrischen SUVs im C-Segment der Kompaktwagen wiegen durchschnittlich sogar 30 Prozent mehr als ihre Pendants mit Benziner- und Dieselantrieb. Und ein elektrisches Oberklasse-SUV kommt im Schnitt auf mehr als zweieinhalb Tonnen – Leergewicht. „Das derzeitige Modellangebot an BEVs in Deutschland schleppt gut 20 Prozent mehr Gewicht mit sich herum“, sagt Eric Haase, Managing Director von Jato Dynamics in Deutschland.
Noch deutlicher ist der Unterschied bei der Motorleistung. Im Durchschnitt haben BEVs mehr als 38 Prozent stärkere Antriebe als ihre Pendants mit Verbrennungsmotor. Je nach Segment gibt es allerdings signifikante Unterschiede. Vor allem die SUVs des B- und C-Segments verfügen über ein deutliches Leistungsplus. Modelle des A-Segments haben mit jeweils 90 PS noch mehr oder weniger identische Leistungswerte. Doch schon im B-Segment beträgt die Differenz bereits mehr als 28 Prozent für die Limousinen und fast 62 Prozent für die SUVs. Nicht weniger als 210 PS hat ein durchschnittliches Elektro-SUV bei den Kleinwagen. Die Verbrenner begnügen sich mit 130 PS. Die elektrischen „Geländewagen“ in der Kompaktklasse haben sogar fast 72 Prozent mehr Power anzubieten. Im Schnitt bringen sie 280 PS auf die Straße, Verbrenner nur 163 PS. In der gehobenen Mittelklasse und Oberklasse dominieren jedoch wieder die Limousinen. Im D-Segment sind es mehr als 70 Prozent.
Dieser Leistungszuwachs sorgt dafür, dass das meist höhere Gewicht der Elektrofahrzeuge bei den Fahrleistungen kaum zu spüren ist. Schaut man auf das Leistungsgewicht (gemessen in Kilogramm pro kW / PS) nach Segmenten, dann haben die BEVs eine theoretisch bessere Beschleunigung und mehr Drehmoment. Mit Ausnahme bei den Kleinstwagen und den SUVs der Oberklasse verfügen die batterieangetriebenen Elektrofahrzeuge in allen Segmenten über das geringere Gewicht pro PS – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Die Kunden verlangen mehr Reichweite – somit werden die Batterien größer, teurer und schwerer. Das macht das Auto aber insgesamt ebenfalls schwerer und drückt dann wieder auf die Reichweite. „Aus diesem Teufelskreis kommt man nur mit einem Technologiesprung heraus“, sagt Eric Haase. „Wir brauchen in Zukunft kleinere und leichtere Batterien, die trotzdem für mehr Reichweite sorgen. Dann könnten die Fahrzeuge vielleicht auch endlich zu günstigeren Preisen angeboten werden.“
2 Kommentare
Boogie_de
4. September 2024 21:02 (vor einem Monat)
RichardG
28. August 2024 20:51 (vor einem Monat)
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