Wer Interesse an einem legendären AMG hat, braucht ein gut gefülltes Bankkonto. "The Mallet", einer der berühmtesten AMG-Umbauten von AMG North America, und der zweite von nur zwei produzierten 6,0-Liter-T-Modellen kam im Rahmen der Miami Auktion von RM Sotheby‘s (01.3.-02.03.) für 467.000 US-Dollar (427.000 Euro) unter den Hammer. Der 1988 modifizierte Mercedes-Benz-300-TE ist ein 310 PS starker Siebensitzer mit Legendenstatus. RM Sothebys rechnete im Vorfeld der Auktion mit einem Höchstgebot zwischen 300.000 US$ (279.000 €) und 400.000US$ (372.000 US$).
Wir befinden uns in den 80er Jahren. In dieser Dekade hatte sich das Business der Tuningschmiede AMG zu einem globale agierenden Unternehmen mit autorisierten Händlern, Exklusiv-Importeuren und einer Vielzahl von Fachgeschäften für den Zubehörmarkt entwickelt. Das Juwel in diesem weltweiten Vertriebsnetz war „AMG of North America“ mit ihrem umtriebigen Präsidenten Richard Buxbaum. Von seinem Geschäft in einem Vorort von Chicago aus leitete Buxbaum die gesamte Präsenz von AMG in Amerika und baute eine Vielzahl extremer und spezieller Aufträge für einige der reichsten Enthusiasten in Kanada und den Vereinigten Staaten auf. Darüber hinaus sorgte er für eine ausgezeichnete Präsenz der Marke in den Medien.
Richard Buxbaum ist es denn auch gewesen, der eine alte AMG-Idee von 1977 - nämlich einen siebensitzigen Power-Kombi zu bauen - wieder aufgriff. Die AMG-Gründer hatten diese Idee seinerzeit nicht weiter verfolgt, zehn Jahre später machte sich AMGs US-Statthalter daran, einen kraftvollen Sportkombi mit sieben Sitzplätzen zu realisieren. Das Resultat sind zwei in den USA bis heute sehr bekannte AMG-Fahrzeuge. Es handelt sich um zwei 6,0-Liter-AMG-T-Modelle, die von Buxbaums Team in den Vereinigten Staaten gebaut wurden: der "Hammer Wagon" mit zwei obenliegenden Nockenwellen von 1987 und der hier zur Versteigerung anstehende "Mallet" (Mallet = Hammer ähnliches Klopfwerkzeug) mit einer obenliegenden Nockenwelle von 1988.
Während für den „Hammer Wagon“ ein M117 V8-Motor mit AMG DOHC-Zylinderköpfen mit 32 Ventilen zum Einsatz kam, plante Buxbaum für eine hauseigene S124-Serie seiner US-Kunden, die serienmäßigen 16-Ventil-Zylinderköpfe "lediglich" zu modifizieren.
Drei Gründe sprachen für die 16-Ventil-Variante: Erstens musste man in Chicago nicht auf die Zylinderköpfe aus Affalterbach warten. Zweitens konnten die Bearbeitungen und Modifikationen an den werkseitigen SOHC-Köpfen im eigenen Haus durchgeführt und getestet werden, da viele der Techniker in der Werkstatt erfahrene Hot Rodder oder Rennmechaniker waren. Schließlich war der Verzicht auf die seinerzeit 65.000 Dollar (60.450 €) teuren DOHC-Köpfe eine einfache Maßnahme, den Kunden ein gutes, aber viel günstigeres Powerpaket anbieten zu können.
Am 6. Januar 1988 kaufte Buxbaum einen Mercedes-Benz 300 TE (S124) als Neuwagen bei Shepherd Mercedes-Benz in Oak Park, Illinois. Das T-Modell wurde sofort mit einem Vollaluminium-Motor M117.968 umgebaut, den die AMG NA-Techniker auf 6,0 Liter Hubraum aufbohrten. Nach Plan wurden auch die Zylinderköpfe portiert und poliert, während die serienmäßigen Nockenwellen, Ventile und Einbauten unangetastet blieben. Der Wagen erhielt außerdem ein überarbeitetes Getriebe, mild verbreiterte Kotflügel und einen Satz 16-Zoll-AMG-Monoblock-Räder.
Abgerundet wurde die optische Aufwertung durch ein komplettes, farblich abgestimmtes Bodypanel-Kit, eine Dachreling, eine Edelstahl-Auspuffanlage und ein individuelles Interieur mit AMG-Instrumenten. Damit das Fahrwerk des S124 dem neuen Antriebsstrang standhält, verstärkten und modifizierten Buxbaum und Co. den hinteren Hilfsrahmen des Fahrzeugs, um das 2,65er Sperrdifferenzial der S-Klasse Limousine aufzunehmen. Zudem wurden die serienmäßigen Federn "gekürzt" und spezielle Stabilisatoren eingebaut.
Nach der Fertigstellung genossen Buxbaum und seine Frau Robin den altehrwürdigen Sportwagen als ihr persönliches Transportmittel für die nächsten 12 Monate und legten dabei rund 8.000 Meilen zurück. Übrigens: Die von AMG NA geplante Baureihe S124 mit 16 Ventilen war eine Totgeburt. Mehr als das eine "Prototypenexemplar" wurde niemals gebaut.
Am 19. Januar 1989 verkauften die Buxbaums den Wagen an einen guten Freund, der ihn mit dem Kennzeichen "WMW 6" aus Illinois anmeldete. Auf Buxbaums Drängen hin wurde der Wagen Ende 1989 an John Phillips von der Zeitschrift Car and Driver für einen Test ausgeliehen, dessen Ergebnisse ihm seinen heutigen Spitznamen "the Mallet" einbrachten. Mit 310 PS aus seinem modifizierten 6,0-Liter-AMG-V8-Motor erreichte der Mallet (im Test) bessere Fahrleistungen und eine bessere Fahrdynamik als ein zeitgenössischer Porsche 911 Carrera, eine Chevrolet Corvette, ein BMW M5, ein Ferrari 412 und ein Lamborghini Jalpa.
Am 12. März 1992 wurde "The Mallet" über AMG NA zum letzten Mal an seinen nächsten Besitzer in Chicago verkauft. In den folgenden zehn Jahren wechselte der Stern dann einige Male den Besitzer. Im Jahr 2002 wurde "The Mallet" von einem AMG-Enthusiasten aus New Jersey erworben, der den Wagen seit einem Artikel in der Zeitschrift Car and Driver aus dem Jahr 1990 begehrte. Unter seiner Obhut wurde der S214 für fast 44.000 US$ (40.920 €) kosmetisch und mechanisch restauriert. Im Rahmen der umfangreichen Arbeiten wurden Motor und Getriebe von den Spezialisten der Marke komplett überholt, das Fahrwerk mit Hochleistungs-Stoßdämpfern und -Federn aus einem 500 E erneuert, die komplette Außenhaut neu lackiert, Euro-Scheinwerfer montiert und ein etwas größerer Satz 17-Zoll-AMG-Monoblock-Räder montiert.
Im Jahr 2014 erwarb der aktuelle Eigentümer "The Mallet" und reihte ihn in seine Sammlung von AMG-Fahrzeugen ein. In seiner Obhut wurde das Fahrzeug in klimatisierten Räumlichkeiten gelagert und von lokalen Mercedes-Benz Markenspezialisten sorgfältig gewartet. Allein zwischen Juli und September 2015 wurden die Karosserie und der Innenraum des Fahrzeugs professionell lackiert und mit neuen Komponenten wie Scheiben, Dichtungen, Zierleisten, Schalttafeln und vorderen Kotflügeln im Wert von über 44.500 US$ (41.385 €) ausgestattet. Seitdem wurde der Wagen nur routinemäßig gewartet und nur selten in der Stadt bewegt. Um den persönlichen Vorlieben dieses Besitzers gerecht zu werden, wurde das originale Lenkrad durch eines mit kleinerem Durchmesser aus einem späteren W124-Fahrgestell ersetzt.
Bildergalerie: 1988 Mercedes-Benz 300 TE 6.0 AMG "The Mallet"
23 Bilder Fotostrecke | Mercedes-Benz 300 TE 6.0 AMG "The Mallet":
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